Hans Nathan

Verlegeort
Nassauische Str. 61
Bezirk/Ortsteil
Wilmersdorf
Verlegedatum
15. April 2010
Geboren
09. Oktober 1913 in Essen
Ermordet
04. März 1943 in Auschwitz

Hans Ludwig Nathan kam am 9. Oktober 1913 in Essen als Sohn der damals noch ledigen Emilie Adelheid Elsa (Adele) Hirtes auf die Welt. Adele Hirtes war protestantisch und Tochter des Hamburger Laternenanzünders Carl Hirtes und seiner Frau Auguste. 
Adele Hirtes, die nach Aussagen ihres Sohnes beim Theater beschäftigt gewesen sein soll, zog es von Hamburg nach Essen, wo sie den 1887 geborenen jüdischen Kaufmann Sally Nathan kennenlernte und von ihm schwanger wurde. Sally Nathan erkannte Hans 1914 urkundlich als seinen leiblichen Sohn an und zu einem nicht bekannten Zeitpunkt heirateten Adele und Sally Nathan und zogen nach Berlin. Hans besuchte in Berlin die Oberrealschule bis zur Untertertia und anschließend für einen Jahreskurs die Rackow – Handelsschule. Seine Lehrzeit absolvierte er in einem Betrieb der Damenbekleidungsindustrie. Als Berufsbezeichnung wurde in allen Dokumenten „Handlungsgehilfe“ angegeben.

Am 6. November 1929 starb Adele Nathan im Alter von 41 Jahren. Die auf der Sterbeurkunde angegebene Adresse war die Hanauer Straße 80 am Rande des Rheingau-Viertels in Wilmersdorf.

Hans und sein Vater lebten zusammen in dieser Wohnung, später in der Schöneberger Wartburgstraße 26, bis Sally 1936 erneut heiratete. Seine jüdische Frau Henriette Margarete Bendix war 20 Jahre jünger als er und nur 6 Jahre älter als Hans. Das Ehepaar emigrierte nach Belgien – ohne Hans, der vermutlich zu diesem Zeitpunkt zu Max und Georg Blumenfeld zur Untermiete in die Nassauische Straße 61 zog. Georg Blumenfeld war nur drei Jahre älter als Hans und möglicherweise kannten sich die beiden jungen Männer aus den Zeiten ihrer Ausbildung. 
1938 verlor Hans Nathan seine Anstellung in dem Geschäft für Damenmoden „Stein im Hofe“ am Tauentzien. Er galt nach den Nürnberger Rassegesetzen als „Mischling 1. Grades“ und erfuhr wie alle Juden im öffentlichen Leben keinerlei Schutz. Im selben Jahr erklärte er seinen Austritt aus der Jüdischen Gemeinde.

Im Dezember 1940 kam es zu einer Anzeige und Verhaftung Hans Nathans. Er wurde des „Verbrechens der „Rassenschande“ bezichtigt. Im Laufe der Sommer 1939 und 1940 hatte Hans Nathan zu drei nicht–jüdischen Frauen, die schon länger mit ihm bekannt waren, sexuelle Beziehungen gehabt. Bis zur Verhandlung und Urteilsverkündung war er im Gefängnis Plötzensee inhaftiert. Dort kam es mehrfach zu mehrtägigen Arreststrafen z.B. wegen „Unterhaltung mit dem Zellennachbarn“ oder „Rauchen auf dem Abort“. Am 17. Mai 1941 wurde das Urteil der 4. Berliner Strafkammer verkündet: 3 Jahre Zuchthaus – 1 Jahr für jede Beziehung – und 5 Jahre Ehrverlust. Während der Zeugenvernehmungen wurden die intimsten Details der Beziehungen öffentlich gemacht und protokolliert.

In der Urteilsbegründung heißt es: „In den Fällen K... und L... mußte besonders strafschärfend wirken, daß diese Taten in der Kriegszeit liegen. Während deutsche Männer im Alter des Angeklagten dem Feinde gegenüberstehen, benutzte der Angeklagte seine Ausschließung von der Wehrpflicht dazu, sich an arische Frauen heranzumachen und diese als Jude zu außerehelichen Geschlechtsverkehr zu mißbrauchen.“ 

Hans Nathan wurde seit seiner Verhaftung mehrfach verlegt, vom Polizeigefängnis in die Untersuchungshaft nach Moabit, von dort ins Gefängnis Plötzensee und schließlich Ende Juni ins Zuchthaus Luckau. Am 10. Juli 1941 verzeichnet das Zuchthaus Görden/Brandenburg seine Einlieferung. Hans Nathans Gesundheitszustand hatte sich infolge der harten Haftbedingungen verschlechtert. In Moabit musste er im Haftkrankenhaus behandelt werden und er war stark abgemagert. Bei der ärztlichen Untersuchung in Görden wog der 28–Jährige gerade noch 61 kg.

Als seine Strafe im Zuchthaus Görden– unter Anrechnung der Untersuchungshaft – dem Ende zuging, wurde er nicht etwa in die Freiheit entlassen.
Am 5. Januar 1943 findet sich sein Name auf einer Liste von 15 Gefangenen, die an die Polizei (Stapo) Potsdam überführt werden. Von dort wurde er auf nicht bekanntem Wege nach Auschwitz verschleppt. In den Deportationslisten dieses Zeitraums ist Hans Nathan nicht zu finden. Es bleibt unklar, was sich zwischen der Entlassung aus dem Zuchthaus Görden und seiner Deportation nach Auschwitz zugetragen hat.

Am 4. März 1943 wurde im Konzentrationslager der Tod von Hans Nathan verzeichnet. 

Hans’ Vater Sally Nathan und seine Frau Henriette wurden in Belgien verhaftet und in Frankreich über das Internierungslager Saint Cyprien und das Sammellager Mechelen am 31. Oktober 1942 ebenfalls nach Auschwitz verschleppt und ermordet.