In der Trautenaustraße 20 lebten Elsa und Julian Isaak Bärwald von 1941 bis zu ihrer Deportation 1943 zusammen als Untermieter der Familie Wisla.
Warum vor dem Haus kein Stolperstein für Julian Isaak Bärwald neben dem seiner Frau Elsa verlegt wurde, ist nicht bekannt. In allen Dokumenten, außer Julian Isaaks Deportationsliste, wird der Name Bärwald, nicht Baerwald geschrieben.
Elsa Bärwald wurde als Elsa Rosenthal am 4. Oktober 1882 in Breslau geboren. Ihre Eltern waren der Kaufmann Louis Rosenthal und Flora Rosenthal geb. Cohn. Elsa hatte zwei ältere Geschwister, Julian Joseph, geboren am 25. Februar 1875 und Hedwig, geboren am 24. Juli 1880.
Am 8. Juli 1904 heiratete sie in Breslau Julian Isaak Bärwald (*23. September 1874 in Jarotschin /Polen). Julian Bärwald war von Beruf Regierungsbaumeister - oder auch Königlicher Bauinspektor. Er wohnte damals in Berlin in der Chausseestraße 62 und arbeitete im technischen Prüfungsamt des Preußischen Ministeriums der öffentlichen Arbeiten.
Das junge Ehepaar wohnte zunächst in der Kirchstraße 23 in Moabit, wo auch das älteste der beiden Kinder geboren wurden. Hans Heinz kam am 13. April 1905 auf die Welt und Annemarie vier Jahre später am 7. August 1909. In der Zwischenzeit war Familie Bärwald nach Berlin Halensee in die Georg – Wilhelm – Straße 2 umgezogen. Die Wohnung nahe dem Kurfürstendamm war bis 1932 ihr festes Zuhause. Die Anstellung Julians als Regierungsbaumeister dürfte der Familie ein gutes Auskommen und einen gehobenen Lebensstil ermöglicht haben. Julian arbeitete neben seiner Tätigkeit im Ministerium auch für den Hilfsverein der Deutschen Juden. Dieser plante 1910 die Errichtung des „Technikums“ auf dem Berg Carmel in Haifa. Im Auftrag des Kuratoriums unternahm Julian Bärwald eine 2-monatige Reise nach Haifa, um dort Studien für die Ausführung der Arbeiten zu machen.
In der 2. Hälfte der 1920er-Jahre verließen die Kinder in kurzen Abständen das Haus, Hans Heinz war Kaufmann geworden und lebte in Essen. Er heiratete am 1. Dezember 1927 in Berlin Liselotte Feldblum. Die Ehe hielt nicht lange und wurde 1932 geschieden. 1929 heiratete Annemarie den Kaufmann Ernst Walter Nürnberg und zog zu ihm nach Nikolassee in die Burgunderstraße 7. Auch diese Ehe war nicht von Dauer, die Scheidung erfolgte 1936.
1933 dürfte nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten das berufliche Aus für Julian Bärwald und der Hinauswurf aus dem Staatsdienst gewesen sein. Damit verbunden war der Verlust der großen Wohnung am Kurfürstendamm. Elsa und Julian zogen nach Nikolassee in die Von-Luck- Straße 7/9. 1936 sind sie lt. Adressbuch in der Lohengrinstraße 10 gemeldet. In diesem Haus wohnten bis 1934 die Kinderärztin Lotte Dessau und ihr Mann, der Internist Ernst Dessau. Eigentümerin war Selma Neumann, die Mutter Lotte Dessaus. Das Ehepaar Dessau erhielt 1933 Berufsverbot und emigrierte 1934 nach Frankreich. Somit fanden Elsa und Julian Bärwald in der Villa mit Wassergrundstück eine standesgemäße Unterkunft.
Selma Neumann verließ nach dem Tod ihres Mannes Nazideutschland und emigrierte nach Palästina. Die Villa hatte sie im Zuge der Arisierung jüdischen Eigentums an einen Studienrat Lüdke verkaufen müssen. Trotzdem blieben Elsa und Julian in dem Haus bis 1941 wohnen. Danach mussten sie ein Zimmer zur Untermiete bei der Familie Wisla in der Trautenaustraße 20 beziehen. Die Deportation des Ehepaares erfolgte zwei Jahre später an zwei verschiedenen Tagen. Julian wurde am 2. März 1943 nach Auschwitz verschleppt, Elsa einen Tag später, am 3. März 1943. Diese Sondertransporte des RSHA deportierten die im Rahmen der „Fabrikaktion“ vom 27. Februar gefangen genommenen Juden. Ob es ein Indiz dafür ist, dass der 69-jährige Julian Bärwald bis zu diesem Tag Zwangsarbeit leisten musste und an seinem Arbeitsplatz verhaftet wurde, kann nur vermutet werden.
Elsa und Julian Bärwald wurden im Vernichtungslager Auschwitz ermordet.
Über das Schicksal ihres Sohnes Hans Heinz ist nichts bekannt. Da er nicht in der zentralen Datenbank Yad Vashem als Holocaustopfer genannt wird, kann davon ausgegangen werden, dass er rechtzeitig Deutschland verlassen konnte.
Annemarie emigrierte nach ihrer Scheidung von Ernst Walter Nürnberg in die USA und heiratete in Kalifornien den Franzosen Raymond Goldfarb. Sie starb am 30. Juni 2000 in Laguna Hills.
Elsas Schwester Hedwig Heilborn – ihr Mann, der bekannte Breslauer Augenarzt Dr. Franz Heilborn war bereits 1920 verstorben – wurde schon im Mai 1942 von Breslau aus nach Auschwitz deportiert und dort ermordet.
Der Bruder Julian Joseph Rosenthal emigrierte mit seiner Ehefrau Margarete in die USA. Er starb 1954 in Brooklyn, New York.