Auguste Kaiser

Verlegeort
Giesebrechtstr. 12
Bezirk/Ortsteil
Charlottenburg
Verlegedatum
08. Mai 2011
Geboren
31. Mai 1890 in Beuthen O.S (Schlesien) / Bytom
Deportation
am 26. Februar 1943 nach Auschwitz
Ermordet

Margarete und Auguste - genannt Guste - Kaiser wurden in Beuthen (heute Bytom) geboren, Margarete am 11. Dezember 1887 und Auguste am 31. Mai 1890. Vater war der Rechtsanwalt Ernst Kaiser, Mutter seine Frau Martha geb. Grünfeld. Sie wohnten zunächst in der Gleiwitzer Straße 39 und später in der Bahnhofstraße 1. Anfang des Jahrhunderts war Ernst Kaiser auch Justizrat und Notar. Im April 1919 starb er, 63-jährig. Margarete war zu dem Zeitpunkt 31 Jahre alt und Auguste 28. Beide waren ledig. 

Nach dem Tode ihres Mannes zog Martha Kaiser nach Berlin, sicherlich mit ihren beiden Töchtern. Sie nahmen eine Wohnung in der Bismarckstraße 115, Martha ließ sich ins Adressbuch als „Frau Justizrat" eintragen. Die gute Adresse und die Stellung ihres verstorbenen Mannes lassen vermuten, dass sie ein sorgloses Leben führen konnten. Auch stammte Martha aus einer wohlhabenden Familie in Kattowitz. Von Guste berichtete ein Cousin, Walter Grünfeld, Sohn von Marthas Bruder Hugo: „Meine Kusine Guste Kaiser war Malerin, kopierte oft alte Meister im Kaiser Friedrich Museum". Womit sich Margarete beschäftigte, wissen wir nicht. Die Schwestern standen u.a. im Austausch mit ihren Cousinen Margot und Ellen Epstein, Töchter von Marthas Schwester Minna. Diese waren auch kulturell und musisch veranlagt, Margot schriftstellerisch und journalistisch, Ellen musikalisch. 

1934 starb Martha Kaiser und Margarete und Guste nahmen sich eine 4-½-Zimmer-Wohnung in der Gisebrechtstraße 12, Vorderhaus 3. Stock. Inzwischen waren die Nationalsozialisten an die Macht gekommen, und die beiden Schwestern mussten in den folgenden Jahren erleben, wie ihr Leben durch Antisemitismus und diskriminierende Maßnahmen der Regierung zunehmend erschwert wurde, insbesondere die Verfügung über ihr Vermögen wurde empfindlich eingeschränkt. Nach dem Novemberpogrom am 9./10. November 1938 häuften sich noch mal die Verordnungen gegen Juden, sie durften nicht am öffentlichen Leben teilnehmen, nicht in Theater, Konzerte, Kinos usw., zu bestimmten Zeiten durften sie gar nicht mehr auf die Straße, durften nur von 4 bis 5 Uhr nachmittags einkaufen. Alle Wertgegenstände mussten sie abliefern, Rundfunkgeräte wurden beschlagnahmt, Telefonanschlüsse gekündigt, ihre Konten wurde zu „Sicherheitskonten“ erklärt, von denen sie nur durch „Sicherungsanordnung“ festgelegte Beträge für ein Existenzminimum abheben durften.

Margarete und Guste mussten ihrem Namen den Zwangsnamen "Sara" beifügen, hatten ab September 1939 den Judenstern zu tragen und ihre Wohnung entsprechend zu kennzeichnen. Sie mussten Untermieter aufnehmen, da nach Lockerung des Mieterschutzes für Juden diese gekündigt und in die Wohnungen anderer Juden zwangseingewiesen werden konnten. So sollte auch Wohnraum für Nichtjuden geschaffen werden. In Berlin wurde das besonders ab Anfang 1941 betrieben, da Ersatzwohnraum nicht nur infolge von Fliegerangriffen benötigt wurde, sondern auch aufgrund der Baupläne von Generalbauinspektor Albert Speer für die „Welthauptstadt Germania“, im Zuge derer ganze Straßenzüge abgerissen wurden. Einer der Untermieter der Schwestern war ihr Onkel Felix Benjamin, der Ida Grünfeld, eine weitere Schwester Marthas, geheiratet hatte (siehe Biografie auf dieser Seite).

Sowohl Margarete wie Guste wurden zur Zwangsarbeit bei der Metall- und Elektrofirma Ehrich & Graetz in Treptow verpflichtet, die zur Rüstungsindustrie zählte. Zwischen 1940 und Anfang 1943 beschäftigte das Unternehmen über 500 jüdische Zwangsarbeiter und Zwangsarbeiterinnen. Ende 1942 oder Anfang 1943 wurden die Schwestern von der Gestapo in das Lager in der Auguststraße 17 verbracht, ein beschlagnahmtes ehemaliges jüdisches Bereitschaftsheim. Dr. Akim Jah schreibt dazu: „Das Lager [...] diente der Unterbringung von 265 in der Rüstungsindustrie tätigen jüdischen Zwangsarbeitern, die von der Gestapo bzw. SS aufgegriffen, aber von einer Deportation kurzfristig zurückgestellt worden waren. Von der Auguststraße aus hatten sie täglich ihre Arbeitsstätte aufzusuchen. Das Lager unterstand der Aufsicht der Stapoleitstelle. Als jüdische Heimleiterin fungierte Rebekka (Rebecca) Oberländer, die vermutlich in den Wochen davor das auf demselben Gelände befindliche Siechenheim geleitet hatte." 

Von hier mussten also die beiden Schwestern täglich nach Treptow zur Arbeit fahren. Und hier hatten sie bereits am 27. Januar 1943 die "Vermögenserklärung" auszufüllen, in der Juden Auskunft über ihr Eigentum bis hin zu jedem Teelöffel machen mussten, und die zur Vorbereitung der Beschlagnahmung infolge der Deportation dienen sollte. Margarete und auch Guste füllten das Formular allerdings nur oberflächlich aus, indem sie bei den meisten Posten nur "Verschiedenes" eintrugen. Kein Wunder, war doch ihr ganzer Hausrat in der Giesebrechtstraße geblieben. Und dieser zeugte in Teilen noch von vergangenem Wohlstand. Bei der späteren Inventarisierung durch den Gerichtsvollzieher kam die stattliche Summe von 4002 RM zusammen, aufgeführt wurden z.B. ein 61-teiliges Rosenthalservice und ca. 100 geschliffene Gläser, aber auch 3 Staffeleien, die Guste gehört haben dürften.

Knapp einen Monat später und noch vor der berüchtigten "Fabrikaktion", bei der auch bei Ehrich & Graetz hunderte von Arbeitern am Arbeitsplatz verhaftet wurden, wurden Margarete und Auguste Kaiser in das nahe Sammellager Große Hamburger Straße 26 überführt, ein ebenfalls umfunktioniertes jüdisches Altersheim, und am 26. Februar vom Güterbahnhof Moabit aus mit über 1000 weiteren Menschen nach Auschwitz deportiert. Dort angekommen, wurden lediglich 156 Männer und 106 Frauen als Arbeitssklaven ausgesucht. Bei den vorherrschenden Arbeits- und Ernährungsbedingungen kam das einer "Vernichtung durch Arbeit" gleich. Alle anderen Insassen des Zuges wurden sofort in den Gaskammern ermordet. Wir wissen nicht, welches dieser Schicksale den Schwestern bestimmt war - überlebt haben sie so oder so nicht.

Felix Benjamin, Margaretes und Gustes Onkel, wurde bald nach ihnen, im März 1943, nach Theresienstadt deportiert, und starb dort an den menschenverachtenden Lebensumständen. Die Cousinen Margot und Ellen Epstein waren schon am 19. Oktober 1942 nach Riga verschleppt und dort ermordet worden. 

 

Margarete und Auguste - genannt Guste - Kaiser wurden in Beuthen (heute Bytom) geboren, Margarete am 11. Dezember 1887 und Auguste am 31. Mai 1890. Vater war der Rechtsanwalt Ernst Kaiser, Mutter seine Frau Martha geb. Grünfeld. Sie wohnten zunächst in der Gleiwitzer Straße 39 und später in der Bahnhofstraße 1. Anfang des Jahrhunderts war Ernst Kaiser auch Justizrat und Notar. Im April 1919 starb er, 63-jährig. Margarete war zu dem Zeitpunkt 31 Jahre alt und Auguste 28. Beide waren ledig. 

Nach dem Tode ihres Mannes zog Martha Kaiser nach Berlin, sicherlich mit ihren beiden Töchtern. Sie nahmen eine Wohnung in der Bismarckstraße 115, Martha ließ sich ins Adressbuch als „Frau Justizrat" eintragen. Die gute Adresse und die Stellung ihres verstorbenen Mannes lassen vermuten, dass sie ein sorgloses Leben führen konnten. Auch stammte Martha aus einer wohlhabenden Familie in Kattowitz. Von Guste berichtete ein Cousin, Walter Grünfeld, Sohn von Marthas Bruder Hugo: „Meine Kusine Guste Kaiser war Malerin, kopierte oft alte Meister im Kaiser Friedrich Museum". Womit sich Margarete beschäftigte, wissen wir nicht. Die Schwestern standen u.a. im Austausch mit ihren Cousinen Margot und Ellen Epstein, Töchter von Marthas Schwester Minna. Diese waren auch kulturell und musisch veranlagt, Margot schriftstellerisch und journalistisch, Ellen musikalisch. 

1934 starb Martha Kaiser und Margarete und Guste nahmen sich eine 4-½-Zimmer-Wohnung in der Gisebrechtstraße 12, Vorderhaus 3. Stock. Inzwischen waren die Nationalsozialisten an die Macht gekommen, und die beiden Schwestern mussten in den folgenden Jahren erleben, wie ihr Leben durch Antisemitismus und diskriminierende Maßnahmen der Regierung zunehmend erschwert wurde, insbesondere die Verfügung über ihr Vermögen wurde empfindlich eingeschränkt. Nach dem Novemberpogrom am 9./10. November 1938 häuften sich noch mal die Verordnungen gegen Juden, sie durften nicht am öffentlichen Leben teilnehmen, nicht in Theater, Konzerte, Kinos usw., zu bestimmten Zeiten durften sie gar nicht mehr auf die Straße, durften nur von 4 bis 5 Uhr nachmittags einkaufen. Alle Wertgegenstände mussten sie abliefern, Rundfunkgeräte wurden beschlagnahmt, Telefonanschlüsse gekündigt, ihre Konten wurde zu „Sicherheitskonten“ erklärt, von denen sie nur durch „Sicherungsanordnung“ festgelegte Beträge für ein Existenzminimum abheben durften.

Margarete und Guste mussten ihrem Namen den Zwangsnamen "Sara" beifügen, hatten ab September 1939 den Judenstern zu tragen und ihre Wohnung entsprechend zu kennzeichnen. Sie mussten Untermieter aufnehmen, da nach Lockerung des Mieterschutzes für Juden diese gekündigt und in die Wohnungen anderer Juden zwangseingewiesen werden konnten. So sollte auch Wohnraum für Nichtjuden geschaffen werden. In Berlin wurde das besonders ab Anfang 1941 betrieben, da Ersatzwohnraum nicht nur infolge von Fliegerangriffen benötigt wurde, sondern auch aufgrund der Baupläne von Generalbauinspektor Albert Speer für die „Welthauptstadt Germania“, im Zuge derer ganze Straßenzüge abgerissen wurden. Einer der Untermieter der Schwestern war ihr Onkel Felix Benjamin, der Ida Grünfeld, eine weitere Schwester Marthas, geheiratet hatte (siehe Biografie Felix Benjamin).

Sowohl Margarete wie Guste wurden zur Zwangsarbeit bei der Metall- und Elektrofirma Ehrich & Graetz in Treptow verpflichtet, die zur Rüstungsindustrie zählte. Zwischen 1940 und Anfang 1943 beschäftigte das Unternehmen über 500 jüdische Zwangsarbeiter und Zwangsarbeiterinnen. Ende 1942 oder Anfang 1943 wurden die Schwestern von der Gestapo in das Lager in der Auguststraße 17 verbracht, ein beschlagnahmtes ehemaliges jüdisches Bereitschaftsheim. Dr. Akim Jah schreibt dazu: „Das Lager [...] diente der Unterbringung von 265 in der Rüstungsindustrie tätigen jüdischen Zwangsarbeitern, die von der Gestapo bzw. SS aufgegriffen, aber von einer Deportation kurzfristig zurückgestellt worden waren. Von der Auguststraße aus hatten sie täglich ihre Arbeitsstätte aufzusuchen. Das Lager unterstand der Aufsicht der Stapoleitstelle. Als jüdische Heimleiterin fungierte Rebekka (Rebecca) Oberländer, die vermutlich in den Wochen davor das auf demselben Gelände befindliche Siechenheim geleitet hatte." 

Von hier mussten also die beiden Schwestern täglich nach Treptow zur Arbeit fahren. Und hier hatten sie bereits am 27. Januar 1943 die "Vermögenserklärung" auszufüllen, in der Juden Auskunft über ihr Eigentum bis hin zu jedem Teelöffel machen mussten, und die zur Vorbereitung der Beschlagnahmung infolge der Deportation dienen sollte. Margarete und auch Guste füllten das Formular allerdings nur oberflächlich aus, indem sie bei den meisten Posten nur "Verschiedenes" eintrugen. Kein Wunder, war doch ihr ganzer Hausrat in der Giesebrechtstraße geblieben. Und dieser zeugte in Teilen noch von vergangenem Wohlstand. Bei der späteren Inventarisierung durch den Gerichtsvollzieher kam die stattliche Summe von 4002 RM zusammen, aufgeführt wurden z.B. ein 61-teiliges Rosenthalservice und ca. 100 geschliffene Gläser, aber auch 3 Staffeleien, die Guste gehört haben dürften.

Knapp einen Monat später und noch vor der berüchtigten "Fabrikaktion", bei der auch bei Ehrich & Graetz hunderte von Arbeitern am Arbeitsplatz verhaftet wurden, wurden Margarete und Auguste Kaiser in das nahe Sammellager Große Hamburger Straße 26 überführt, ein ebenfalls umfunktioniertes jüdisches Altersheim, und am 26. Februar vom Güterbahnhof Moabit aus mit über 1000 weiteren Menschen nach Auschwitz deportiert. Dort angekommen, wurden lediglich 156 Männer und 106 Frauen als Arbeitssklaven ausgesucht. Bei den vorherrschenden Arbeits- und Ernährungsbedingungen kam das einer "Vernichtung durch Arbeit" gleich. Alle anderen Insassen des Zuges wurden sofort in den Gaskammern ermordet. Wir wissen nicht, welches dieser Schicksale den Schwestern bestimmt war - überlebt haben sie so oder so nicht.

Felix Benjamin, Margaretes und Gustes Onkel, wurde bald nach ihnen, im März 1943, nach Theresienstadt deportiert, und starb dort an den menschenverachtenden Lebensumständen. Die Cousinen Margot und Ellen Epstein waren schon am 19. Oktober 1942 nach Riga verschleppt und dort ermordet worden.