Feodora Liegner geb. Sachs

Verlegeort
Giesebrechtstr. 12
Bezirk/Ortsteil
Charlottenburg
Verlegedatum
08. Mai 2011
Geboren
15. August 1881 in Kattowitz (Schlesien) / Katowice
Deportation
am 13. Januar 1942 nach Riga
Ermordet
in Riga
Feodora Liegner wurde geboren als Feodora Sachs am 15. August 1881 in Kattowitz (poln. Katowice)/Schlesien. Ihre Eltern waren Jacob und Esther Sachs. Ihr Vater war mit ziemlicher Sicherheit der Kartoffelhändler Jacob Sachs in der Mühlstraße 17 in Kattowitz. Etwa 1903 oder 1904 heiratete Feodora den Kaufmann Max Liegner aus Gleiwitz und zog dorthin. Max Liegner betrieb ein „Fenster-Reinigungs-Institut" in der Wilhelmstraße 39. 1905 kam Feodoras Sohn Heinz-Jacob zur Welt und wahrscheinlich ist Kurt Liegner, der 1906 geboren wurde und laut Meldekarte später an der gleichen Adresse wie Feodora lebte, auch ihr Sohn. Drei Jahre später folgte die Tochter Gerda, da wohnte die Familie schon in der Bahnhofstraße.

Im Ersten Weltkrieg war Max Liegner Soldat und fiel am 16. Oktober 1916. Feodora blieb mit den Kindern zurück und führte das Geschäft weiter. Im Adressbuch 1924 ist sie als „Geschäftsführerin" eingetragen, später als „Witwe", immer in der Bahnhofstraße 12. An der gleichen Adresse ist 1931 auch Heinz als Kaufmann eingetragen. Laut Meldekarte ist Feodora später nach Stuttgart gezogen, leider ist das Datum nicht vermerkt. Ebenfalls ohne Datum ist vermerkt, dass Heinz mit seiner Frau Sophie (?) nach Palästina ausgewandert ist. Das lässt vermuten, dass sowohl Feodora als auch Heinz nach Machtübernahme der Nationalsozialisten Gleiwitz den Rücken kehrten.

In Stuttgart betrieb von 1934 bis 1937 Kurt Liegner, der 1925 von Gleiwitz nach Staßfurt in Sachsen Anhalt - möglicherweise zur kaufmännischen Ausbildung - abgemeldet war, einen Textilwarenversand. Es ist also anzunehmen, dass Feodora zunächst zu ihrem Sohn Kurt zog. Nach 1937 ist er nicht mehr im Adressbuch zu finden, und es ist denkbar, dass er zu dem Zeitpunkt auswanderte. Das dürfte der Zeitpunkt sein, an dem Feodora nach Berlin ging. Bei der Volkszählung im Mai 1939 wurde Feodora Liegner als in der Giesebrechtstraße 12 wohnhaft registriert, vielleicht war sie mütterlicherseits mit Amanda Berger geb. Sachs verwandt, zumal auch diese aus Kattowitz stammte. (siehe Biografie auf dieser Seite), evtl. waren sie Schwestern.

Lange konnte Feodora nicht in der Giesebrechtstraße bleiben. Im Juli 1940 wurde sie in der Schillerstraße 57 in die Wohnung von Max Levy zwangseingewiesen. Da sie in den NS-Unterlagen als „Angestellte" bezeichnet wird, kann man annehmen, dass sie für die Jüdische Kultusgemeinde arbeitete, eine andere Anstellung war für Juden nicht mehr möglich. Sie waren nach und nach all ihrer Rechte und Möglichkeiten beraubt worden, vor allem nach den Pogromen vom November 1938 hatten sich die diskriminierenden und erniedrigenden Verordnungen gegen Juden gehäuft.

Im Dezember 1941 wurde Feodora angekündigt, dass sie nach Riga „überführt" werden sollte, ein Euphemismus der Nazis für die Deportationen. Am 18. Dezember unterschrieb sie die „Vermögenserklärung", die jeder zu Deportierende ausfüllen musste. Viel nannte sie nicht mehr ihr eigen, ihre Kriegswitwenrente betrug nunmehr 66.68 RM - jährlich. Die geringen Ersparnisse, die sie hatte, versuchte die Oberfinanzdirektion noch im Januar 1945 einzuziehen.

Wahrscheinlich wurde Feodora Liegner erst Anfang Januar 1942 in das Sammellager eingewiesen, das die Gestapo in der Synagoge Levetzowstraße 7/8 einzurichten befohlen hatte. Am 13. Januar musste sie dann am Gleis 17 des Bahnhofs Grunewald mit 1033 weiteren Menschen den Deportationszug besteigen. Kranke und Alte waren in Lastwagen von der Levetzowstraße dorthin gebracht worden, Feodora musste wohl mit allen anderen bei eisiger Kälte zu Fuß durch die ganze Stadt nach Grunewald laufen. Der Zug brauchte drei Tage, um Riga zu erreichen.

Das Ghetto Riga war von den Deutschen nach der Einnahme der Stadt im Juli 1941 eingerichtet worden. Fast 30000 lettische Juden waren dort auf engstem Raum und unter erbärmlichen Bedingungen eingepfercht. Ende November und Anfang Dezember des Jahres ließ die SS über 90% von ihnen ermorden – um Platz für die zu deportierenden „Reichsjuden“ zu schaffen. Die Menschen in dem ersten Zug aus Berlin, der am 30. November ankam, wurden alle ebenfalls sofort erschossen, eine „Eigenmächtigkeit“ des SS-Führers Friedrich Jeckeln, die ihm eine Rüge von Himmler einbrachte. Himmler hatte dieses Schicksal nur „Arbeitsunfähigen“ zugedacht.

Das Leben im Ghetto war besonders hart: Zu sechst hatten sie sich 2 Zimmer zu teilen, überall sah man noch Spuren der Massenermordung der lettischen Juden, Ernährung und Hygiene waren katastrophal, im Winter gab es kein Wasser, da die Rohre eingefroren waren. Zudem wurden die Insassen zu harter Zwangsarbeit herangezogen.

Wir wissen nicht, wie lange die 62-jährige Feodora das Dasein im Ghetto überlebte. Wenn sie nicht gleich erschossen wurde, wurde sie möglicherweise ein Opfer der besonders zynischen „Aktion Dünamünde“, die von Februar bis April 1942 stattfand. Die NS-Schergen behaupteten, Arbeitskräfte würden in einer Fischfabrik in Dünamünde benötigt, wo die Arbeit leichter und die Arbeitsbedingungen besser seien. Sogar Freiwillige meldeten sich. „Dünamünde“ aber existierte nicht und die Fischfabrik auch nicht. Nicht oder nicht voll Arbeitsfähige, die dorthin sollten oder wollten, wurden auf einem nahen Gelände ermordet. Feodora Liegner kam entweder dabei oder im Ghetto selbst ums Leben. Ihr Todesdatum ist nicht bekannt.



Feodora Liegner wurde geboren als Feodora Sachs am 15. August 1881 in Kattowitz (poln. Katowice)/Schlesien. Ihre Eltern waren Jacob und Esther Sachs. Ihr Vater war mit ziemlicher Sicherheit der Kartoffelhändler Jacob Sachs in der Mühlstraße 17 in Kattowitz. Etwa 1903 oder 1904 heiratete Feodora den Kaufmann Max Liegner aus Gleiwitz und zog dorthin. Max Liegner betrieb ein „Fenster-Reinigungs-Institut" in der Wilhelmstraße 39. 1905 kam Feodoras Sohn Heinz-Jacob zur Welt und wahrscheinlich ist Kurt Liegner, der 1906 geboren wurde und laut Meldekarte später an der gleichen Adresse wie Feodora lebte, auch ihr Sohn. Drei Jahre später folgte die Tochter Gerda, da wohnte die Familie schon in der Bahnhofstraße.

Im Ersten Weltkrieg war Max Liegner Soldat und fiel am 16. Oktober 1916. Feodora blieb mit den Kindern zurück und führte das Geschäft weiter. Im Adressbuch 1924 ist sie als „Geschäftsführerin" eingetragen, später als „Witwe", immer in der Bahnhofstraße 12. An der gleichen Adresse ist 1931 auch Heinz als Kaufmann eingetragen. Laut Meldekarte ist Feodora später nach Stuttgart gezogen, leider ist das Datum nicht vermerkt. Ebenfalls ohne Datum ist vermerkt, dass Heinz mit seiner Frau Sophie (?) nach Palästina ausgewandert ist. Das lässt vermuten, dass sowohl Feodora als auch Heinz nach Machtübernahme der Nationalsozialisten Gleiwitz den Rücken kehrten.

In Stuttgart betrieb von 1934 bis 1937 Kurt Liegner, der 1925 von Gleiwitz nach Staßfurt in Sachsen Anhalt - möglicherweise zur kaufmännischen Ausbildung - abgemeldet war, einen Textilwarenversand. Es ist also anzunehmen, dass Feodora zunächst zu ihrem Sohn Kurt zog. Nach 1937 ist er nicht mehr im Adressbuch zu finden, und es ist denkbar, dass er zu dem Zeitpunkt auswanderte. Das dürfte der Zeitpunkt sein, an dem Feodora nach Berlin ging. Bei der Volkszählung im Mai 1939 wurde Feodora Liegner als in der Giesebrechtstraße 12 wohnhaft registriert, vielleicht war sie mütterlicherseits mit Amanda Berger geb. Sachs verwandt, zumal auch diese aus Kattowitz stammte. (siehe Biografie auf dieser Seite), evtl. waren sie Schwestern.

Lange konnte Feodora nicht in der Giesebrechtstraße bleiben. Im Juli 1940 wurde sie in der Schillerstraße 57 in die Wohnung von Max Levy zwangseingewiesen. Da sie in den NS-Unterlagen als „Angestellte" bezeichnet wird, kann man annehmen, dass sie für die Jüdische Kultusgemeinde arbeitete, eine andere Anstellung war für Juden nicht mehr möglich. Sie waren nach und nach all ihrer Rechte und Möglichkeiten beraubt worden, vor allem nach den Pogromen vom November 1938 hatten sich die diskriminierenden und erniedrigenden Verordnungen gegen Juden gehäuft.

Im Dezember 1941 wurde Feodora angekündigt, dass sie nach Riga „überführt" werden sollte, ein Euphemismus der Nazis für die Deportationen. Am 18. Dezember unterschrieb sie die „Vermögenserklärung", die jeder zu Deportierende ausfüllen musste. Viel nannte sie nicht mehr ihr eigen, ihre Kriegswitwenrente betrug nunmehr 66.68 RM - jährlich. Die geringen Ersparnisse, die sie hatte, versuchte die Oberfinanzdirektion noch im Januar 1945 einzuziehen.

Wahrscheinlich wurde Feodora Liegner erst Anfang Januar 1942 in das Sammellager eingewiesen, das die Gestapo in der Synagoge Levetzowstraße 7/8 einzurichten befohlen hatte. Am 13. Januar musste sie dann am Gleis 17 des Bahnhofs Grunewald mit 1033 weiteren Menschen den Deportationszug besteigen. Kranke und Alte waren in Lastwagen von der Levetzowstraße dorthin gebracht worden, Feodora musste wohl mit allen anderen bei eisiger Kälte zu Fuß durch die ganze Stadt nach Grunewald laufen. Der Zug brauchte drei Tage, um Riga zu erreichen.

Das Ghetto Riga war von den Deutschen nach der Einnahme der Stadt im Juli 1941 eingerichtet worden. Fast 30000 lettische Juden waren dort auf engstem Raum und unter erbärmlichen Bedingungen eingepfercht. Ende November und Anfang Dezember des Jahres ließ die SS über 90% von ihnen ermorden – um Platz für die zu deportierenden „Reichsjuden“ zu schaffen. Die Menschen in dem ersten Zug aus Berlin, der am 30. November ankam, wurden alle ebenfalls sofort erschossen, eine „Eigenmächtigkeit“ des SS-Führers Friedrich Jeckeln, die ihm eine Rüge von Himmler einbrachte. Himmler hatte dieses Schicksal nur „Arbeitsunfähigen“ zugedacht.

Das Leben im Ghetto war besonders hart: Zu sechst hatten sie sich 2 Zimmer zu teilen, überall sah man noch Spuren der Massenermordung der lettischen Juden, Ernährung und Hygiene waren katastrophal, im Winter gab es kein Wasser, da die Rohre eingefroren waren. Zudem wurden die Insassen zu harter Zwangsarbeit herangezogen.

Wir wissen nicht, wie lange die 62-jährige Feodora das Dasein im Ghetto überlebte. Wenn sie nicht gleich erschossen wurde, wurde sie möglicherweise ein Opfer der besonders zynischen „Aktion Dünamünde“, die von Februar bis April 1942 stattfand. Die NS-Schergen behaupteten, Arbeitskräfte würden in einer Fischfabrik in Dünamünde benötigt, wo die Arbeit leichter und die Arbeitsbedingungen besser seien. Sogar Freiwillige meldeten sich. „Dünamünde“ aber existierte nicht und die Fischfabrik auch nicht. Nicht oder nicht voll Arbeitsfähige, die dorthin sollten oder wollten, wurden auf einem nahen Gelände ermordet. Feodora Liegner kam entweder dabei oder im Ghetto selbst ums Leben. Ihr Todesdatum ist nicht bekannt.