Jettel Rosner hieß eigentlich „Jettka“ – „Jettel“ ist ein Kosename, entstanden aus dem alten hebräischen Namen „Judith“. Im Folgenden soll sie „Jettka“ genannt werden – so findet sie sich auch in den Unterlagen.
Jettka Rosner kam am 28. Dezember 1885 als Tochter des Kaufmanns und Gastwirts Simon Rosner und seiner Ehefrau Auguste, geb. Ehrenhaus, im oberschlesischen Kattowitz (heute: Katowice/Polen) auf die Welt. Kattowitz, von 1871 bis 1921 zum Deutschen Reich gehörend, war (und ist) das Zentrum des oberschlesischen Industriereviers, eine Stadt der Bergwerke und Eisenhütten. Die 1862 gegründete jüdische Gemeinde war eine der großen schlesischen Gemeinden und besaß von Beginn an eine eigene Synagoge.
Die Anzahl der Geschwister von Jettka Rosner kennen wir nicht. Für ihr Leben wichtig war ihr älterer Bruder Hugo (1872–1928), der um 1900 noch als Maurermeister in Kattowitz lebte, aber kurze Zeit danach nach Berlin ging. Die Familie wohnte lange Jahre im Haus Sedanstraße 10 (heute: Andrzej-Mielęckiego-Straße). Jettka Rosners Vater arbeitete zuletzt als Vertreter für Weine. Er wurde nicht alt und muss um 1906 gestorben sein. Nach seinem Tod blieb seine Witwe in der Sedanstraße und betrieb dort und später an anderer Stelle ein Milchgeschäft.
Jettka Rosner besuchte ein Lehrerinnenseminar und arbeitete dann als Mittelschullehrerin an der 1900 gegründeten Städtischen Mädchen-Mittelschule in Kattowitz. Die Schule wechselte mehrere Male die Adresse, sie war in der Mühlstraße, in der Friedrichstraße und kurz vor dem Ersten Weltkrieg in der Schulstraße. – Es gab noch eine andere Lehrerin in der Familie: die Privatlehrerin Rosa Rosner, die zeitweise auch im Haus der Familie in der Sedanstraße 10 wohnte.
In welchem Jahr Jetta Rosner nach Berlin zog (und wann ihre Mutter starb), ist unklar. 1921 fiel Kattowitz an Polen, und ihre Verwandte Martha Rosner blieb in Kattowitz, das nun Katowice hieß. Ihr Bruder Hugo lebte seit Jahren als Baumeister und/oder Architekt in Berlin. Er hatte 1907 in Berlin-Schöneberg die 1880 geborene Hedwig Beuthner, Tochter eines Hotelbesitzers aus Beuthen in Oberschlesien (Bytom/Polen), geheiratet. 1908 waren der Sohn Fritz Simon, 1912 die Tochter Ellen auf die Welt gekommen. Seit 1913 wohnte ihr Bruder mit seiner Familie in der ersten Etage des Hauses Wilhelmsaue 136 in Berlin-Wilmersdorf. Er starb 1928 im Jüdischen Krankenhaus, seine Witwe Hedwig lebte mit den Kindern weiterhin in der gemeinsamen Wohnung.
Jettka Rosners Nichte Ellen heiratete 1935 den Kaufmann Heinz Adler. Das Ehepaar wohnte wenige Jahre in Stettin (Szczecin/Polen) und zog dann in die Geburtsstadt von Ellen Adler zurück.
Der letzte „inländische Wohnsitz“ von Familie Adler war die Wohnung von Jetttka Rosners Schwägerin Hedwig in der Wilhelmsaue 136. Im Jahr 1938 emigrierten Hedwig Rosner und ihre Kinder mit Familie. (Die Familie Adler nannte sich später Adley – die 1912 geborene Nichte Ellen starb 2006 in Montreal/Kanada.)
Jettka Rosner war im Mai 1939 die Hauptmieterin in der Wohnung Wilhelmsaue 136, und auch im Berliner Telefonbuch von 1940 ist sie als „Mittelschullehrerin“ mit dieser Anschrift notiert. (So kann man wohl annehmen, dass sie bis dahin im Haushalt ihrer Schwägerin gelebt und nach deren Emigration die Wohnung übernommen hat.) – Zu den Untermieterinnen zählten 1941 die Schwestern Alice und Elsbeth Pasch, die im Juni 1943 nach Auschwitz deportiert und dort ermordet wurden.
In Berlin arbeitete Jettka Rosner bis zum 31. August 1941 an der Mittelschule der Jüdischen Gemeinde. In den letzten Wochen vor der Deportation war sie nach ihrer eigenen Angabe in der „Vermögenserklärung“ als „Aufwärterin“, also als Putzfrau, beschäftigt.
Aber 27. November 1941 wurde Jettka Rosner nach Riga in Lettland verschleppt. Über 1000 Menschen wurden mit einem Sonderzug vom Bahnhof Grunewald nach Riga-Rumbula transportiert. Die Fahrt dauerte drei Tage. Alle Insassen des Zuges wurden gleich nach der Ankunft am Morgen des 30. November 1941 im Wald vom Rumbula erschossen.
Im Januar 1949 schrieb eine ehemalige Schülerin von Jettka Rosner, die es in die Nähe von Fulda verschlagen hatte, an den Suchdienst und bat um Auskunft über deren Schicksal. Damals konnte man ihr nicht helfen, es gab keine Spur ihrer Kattowitzer Lehrerin.