Dr. Sally Davidsohn

Verlegeort
Wilhelmsaue 136
Bezirk/Ortsteil
Wilmersdorf
Verlegedatum
30. Juli 2005
Geboren
18. Juli 1874 in Hohensalza (Posen) / Inowrocław
Beruf
Rechtsanwalt
Deportation
am 11. August 1942 nach Theresienstadt
Später deportiert
am 16. Mai 1944 nach Auschwitz
Ermordet
in Auschwitz

Sally (Franz Sally) Davidsohn stammte aus einer Familie von Kaufleuten, die ursprünglich in Inowrazlaw in der Provinz Posen lebte (seit 1904 Hohensalza, heute Inowrocław/Polen) und wohlhabend wurde. Am 18. Juli 1874 wurde er als Sohn des Kaufmanns Eduard Davidsohn (1822–1904) und dessen Frau Rosa (auch Selma genannt, 1832–1912), geb. Davidsohn, in Inowrazlaw geboren. Die Familie war groß, und die Mehrzahl seiner Geschwister war vor ihm auf die Welt gekommen. Die genaue Anzahl der Kinder bleibt unklar, es müssen ungefähr zehn gewesen sein: Simon (*1855), Daniel (*1857/58), Adele (*1864), Leo (*1866), Hedwig (*1869), Hulda (*1870), Eugen (*1872), Alfred (*1877) und Caecilie (?), die verheiratet in Danzig, Zoppot und Breslau lebte. Auch die anderen Schwestern sollten heiraten. Seine Brüder Leo und Simon blieben erst einmal in Inowrazlaw. 1895 besaßen sie große Firmen, Leo war Eigentümer einer Torfstreufabrik und einer Futtermittel- und Getreidefirma, Simon hatte eine Firma (Fabrik und Handel?) für landwirtschaftliche Maschinen.

Während seine Brüder Kaufleute wurden, besuchte Sally Davidsohn das Gymnasium und studierte in Freiburg und München Jura. Er promovierte 1900 in Erlangen, seine Dissertation erschien 1903 in Berlin mit dem Thema: „Das Begnadigungsrecht. Ein Beitrag zur Lehre von der Berechtigung, von dem Wesen und von den Erscheinungsformen der Gnade“. (Die Dissertation ist in der HU Berlin in der Sammlung des liberalen Strafrechtlers Franz von Liszt zu finden.) Nach dem Ersten Staatsexamen arbeitete Sally Davidsohn als Referendar am Königlichen Landgericht in Lissa/Posen, und nach Referendariat und Promotion ließ er sich in der schlesischen Provinzhauptstadt Breslau als Rechtsanwalt nieder. Seine Kanzlei war in der Junkernstraße, er wohnte als Junggeselle in der Viktoriastraße 100. Auch seine Eltern waren inzwischen nach Breslau gezogen, wo sein Vater 1904 starb.

Am 15. Oktober 1910 heiratete Sally Davidsohn in Berlin die am 21. Mai 1889 im ostpreußischen Insterburg geborene Herta Jacoby, Tochter des Kaufmanns Hermann Jacoby und dessen Ehefrau Clara, geb. Klopstock. Das Ehepaar blieb in Breslau und zog nach der Hochzeit in die Hohenzollernstraße 59. Am 6. August 1911 wurde Tochter Hilde und am 24. Juni 1914 die Tochter Ursula geboren. 1912 starb Sally Davidsohns Mutter Rosa , sie hatte zuletzt in der Opitzstraße 9 gewohnt. Sein Bruder Simon, der sich zur Ruhe gesetzt hatte, lebte nun auch als Rentier in Breslau, er sollte dort 1920 sterben.

Sally Davidsohn und seine Familie wohnten lange Zeit in der Hohenzollernstraße – nach den alten Postkarten eine Straße mit repräsentativen bürgerlichen Mietshäusern. Die Kanzlei lag am Ring 14, dem Zentrum der Stadt – eine „gute“ Adresse.

Zwanzig Jahre blieb Sally Davidsohn in Breslau, dann zog er im Jahr 1924 mit seiner Familie nach Berlin. Sein Bruder Leo lebte dort bereits. Sally Davidsohn arbeitete weiterhin als Rechtsanwalt und Notar, seine Kanzlei befand sich in der Prinzenstraße 26. Im Berliner Adressbuch nannte er sich nun „Franz Sally“. Eltern und Töchter wohnten in einer großzügigen Wohnung in der Helmstedter Straße 9 im Bezirk Wilmersdorf.

1930 ließen sich Sally Davidsohn und seine Ehefrau Herta scheiden. 1933 zog Sally Davidsohn in die Wilhelmsaue 136, im Berliner Adressbuch wird er nun als Rechtsanwalt a.D. notiert. In/mit der Familie lebte und arbeitete seit dem Frühjahr 1919 die Köchin und wohl auch Haushälterin Emma Achner. Sie war aus Schlesien mit nach Berlin gekommen und blieb nach der Scheidung bei Sally Davidsohn. Tochter Hilde Davidsohn begann nach dem Abitur ein Medizinstudium an der Berliner Friedrich-Wilhelms-Universität. 1936 bestand sie die ärztliche Prüfung, 1937 promovierte sie in Bern. Als Frau Dr.med. kehrte sie nach Berlin zurück und arbeitete in den kommenden Jahren am Jüdischen Krankenhaus in der Iranischen Straße. Zuletzt wohnte Hilde Davidsohn im Krankenhaus, kehrte dann aber im Sommer 1940 zu ihrem Vater in die Wilhelmsaue 136 zurück. 1942 musste die Köchin Emma Achner gehen, als „Arierin“ durfte sie nicht in einem jüdischen Haushalt arbeiten – aber sie betreute Vater und Tochter weiter bis zu deren Deportation.

Sally Davidsohn wurde am 11. August 1942 mit dem „41. Alterstransport“ nach Theresienstadt deportiert. – Dort befand sich bereits sein Bruder Leo Davidsohn, der zuletzt in Berlin einen Großhandel für Futtermittel besessen hatte und als wohlhabender Mann am Kurfürstendamm 185 gewohnt hatte. Er war am 14. Juli 1942 in das Ghettolager deportiert worden und starb einen Tag nach der Ankunft von Sally Davidsohn. Zur gleichen Zeit war seine Schwester Adele, verwitwete Wurst, in Theresienstadt. Sie kam am 31. August 1942 aus Breslau und starb am 22. Februar 1943 im Lager. Die Geschwister wussten voneinander.

Am 16. Mai 1944 wurde Dr. Sally Davidsohn von Theresienstadt aus nach Auschwitz verschleppt und in dem Vernichtungslager ermordet.

 

Tochter Hilde Davidsohn war zuletzt Zwangsarbeiterin, sie wurde am 3. März 1943 nach Auschwitz deportiert und dort ermordet. Sie hatte bis zum Ende im Haus Wilhelmsaue 136 gewohnt. Sally Davidsohns geschiedene und neu verheiratete Ehefrau Herta Klopstock war mit ihrem zweiten Ehemann bereits im November 1935 emigriert. Tochter Ursula, verheiratete Beer, überlebte in Großbritannien. – Die Köchin Emma Achner wohnte noch Mitte der 1950er-Jahre, dem Zeitpunkt ihrer Aussage über das Leben der Familie Davidsohn, in der Wilhelmsaue 136. – Für Leo Davidsohn ist 2014 ein Stolperstein vor dem Haus Kurfürstendamm 185 verlegt worden.